Heute habe ich keinen großen Weg vor mir: nur drei Stationen mit dem Nahverkehrszug, für welche die rumänische Eisenbahn dennoch eine gute Stunde benötigt – immerhin geht es auf die andere Seite der Karpaten, der Predeal-Pass ist mit über 1000 Meter Höhe so etwas wie das rumänische Äquivalent zum Brenner.
Am Bahnhof ist auch am Sonntagmorgen eine Menge los, vor den Fahrkartenschaltern sind lange Schlangen. Mein Regionalzug steht schon bereit: ein langer lokbespannter Zug, vorn zwei Doppelstockwagons, hinten Großraum- und Abteilwagons wie im Fernverkehr.
Interessanterweise gibt’s auch hier reservierte Plätze, und das macht durchaus Sinn, denn der Zug ist brechend voll.
Es geht los, gemächlich, aus der Stadt heraus, durch ein immer enger werdendes, bewaldetes Tal, bergan, aber doch recht zügig, durch einen längeren und einen kürzeren Tunnel, Blick hinunter ins Tal, dann der erste Halt Predeal, auf der Passhöhe: ein moderner Ferienort mit vielen Hotels, im Winter kann man hier Ski fahren.
Weiter gehts zügig bergab, wieder ein enges bewaldetes Tal, jetzt sieht man immer wieder die Straße, auf der sich der Verkehr staut. Der übernächste Halt ist schon Sinaia: ein schönes, großzügiges Bahnhofsgebäude aus dem späten neunzehnten Jahrhundert.
In den Ort geht es über eine steile Treppe den bewaldeten Hang bergauf, dann gelangt man zu einem Plateau mit einer Esplanade, einem Park, großzügigen Hotels und einem Casino – es hat die Atmosphäre eines altmodischen Kurortes. Auch ich bin in einer schönen alten Villa mit knarrenden Holzdielen untergekommen, vom Balkon genieße ich den Blick auf die Berge.
Sinaia verdankt seine Existenz einem Kloster – beziehungsweise einem Einsiedler, welcher sich seinerzeit nach einer Pilgerfahrt auf den Sinai (daher der Name) hierher in die Einsamkeit der Karpaten zurückgezogen hatte. Nun führte auch damals schon die Handelsstraße von Brașov (dem damaligen Kronstadt) nach Bukarest durch dieses Tal, und im 19. Jahrhundert beschloss der rumänische König, sich hier ein Schloss bauen zu lassen. Das war’s dann mit der Einsamkeit.
Das Kloster lohnt auch heute noch einen Besuch, die alte Kapelle aus dem späten 17. Jahrhundert versteckt sich in einem Kreuzgang hinter der modernen Wallfahrtskirche.
Die größte Sehenswürdigkeit aber ist das Schloss, das rumänische Äquivalent von Neuschwanstein, malerisch gelegen in einem Seitental, überragt von schroffen Zweitausendern.
