Morgens ist der Himmel grau, es ist kühl und fast schon hebstlich-neblig, ich überquere den Platz vor der Porta Galliera und gehe am Springbrunnen vorbei die Freitreppen hinauf zum Parco della Montagnolla. Auf der anderen Seite des Parks beginnt der Markt.
Der Plan für heute: die sieben Geheimnisse dieser Stadt zu entdecken.
Diese Stadt hat nämlich Geheimnisse! Je nach Quelle können es allerdings auch zehn sein oder nur fünf, wobei sich hinter manchen Geheimnissen zum Teil auch allgemein bekannte Sehenswürdigkeiten und Touristenfallen verstecken. Aber „Jagd nach Geheimnissen‟ klingt nun einmal defnitiv besser als „Abhaken von Sehenswürdigkeiten‟. Also, los geht’s!
Zunächst die Bogengänge der Via dell‘ Indipendenza entlang stadteinwärts. Zwischen den Bogengängen versteckt sich der Eingang zu einer Kirche – das erste Geheimnis?
Der Innenstadtnahe Teil der Straße ist heute, am Wochenende für den Autoverkehr gesperrt und voller Menschen. Vor einer neu eröffneten Boutique stehen junge Frauen Schlange – was auch immer es da heute kostenlos gibt, soll mir ein Geheimnis bleiben.
Die Fassade der Basilika San Petronio ist seit vielen hundert Jahren unfertig geblieben und sieht daher von außen eher unspektakulär aus – drinnen hingegen findet sich nicht nur die geheimnisvolle in den Boden eingelassene „Mittagslinie‟ sondern auch jede Menge Kirchenpracht.
Ein paar hundert Meter weiter sind die berühmten zwei Türme. Der Kleinere davon ist fast so schief wie der schiefe Turm von Pisa. Der andere ist ziemlich hoch, und oben soll eine zerbrochene Vase herumliegen, was eines der offiziellen Geheimnis ist. Man kann hinaufklettern und nachschauen, aber die Tickets muss man in der Touristeninformation vorausbuchen.
Geschenkt. Auf zum nächsten Geheimnis.
Die gar nicht so geheimen Geheimnisse von Bologna
Der berühmte Neptunbrunnen ist unter einem riesigen Baugerüst-Komplex verschwunden. Wenn er gerade nicht eingerüstet ist, kann man Neptuns… äh… also, sein bestes Stück sehen, aber er ist ja eingerüstet, also noch ein Geheimnis abgehakt. Drumherum sind Einkaufsstraßen und da kaufen Leute ein, nichts Geheimes daran. Also mal einen Blick in die Touristen-Info geworfen. Alles professionell organisiert hier: Keine zwei Sekunden durch die Tür wird man von einer professionell lächelnden jungen Frau angesprochen und bekommt einen Stadtplan in die Hand gedrückt. Kann ich sonst noch etwas für Sie tun? Ja, dieses berühmte Fenster… Ich habe den Satz noch nicht zu Ende gesprochen, da hat sie schon das Kreuzchen gemacht auf dem Stadtplan und den Weg nach Klein-Venedig eingezeichnet.
Klein-Venedig ist ein Fenster von der Größe einer mittelgroßen Pizza. Dahinter nach links und rechts der Blick auf die Rückseiten von Wohnhäusern, dazwischen ein Kanälchen. Der Vergleich mit der Lagunenstadt ist doch… nun ja, vielleicht ein bisschen ehrgeizig.
Schiefe Türme und weitere Geheimnisse in Bologna
Wir gehen zu der Piazza mit den beiden Türmen zurück. Eindrucksvoll sind sie ja schon: aus dunklem Stein gemauert, mit nur ganz wenigen kleinen Fenstern, wie Trutzburgen. Der Höhere von den Beiden war seinerzeit – im Mittelalter, als er von einer reichen Kaufmannsfamilie gebaut wurde – eines der höchsten nicht-sakralen Gebäude des Landes (oder der Welt?). Früher einmal gab es über hundertfünfzig Stück davon in der Stadt, jetzt sind noch ein bis zwei Dutzend übrig geblieben, sie verstecken sich hinter den kolonadengesäumten Einkaufsstraßen in der zweiten Reihe in stillen Seitenstraßen.
An der Strada Maggiore wartet das nächste Geheimnis.Zwischen Bogengängen, an einem mittelalterlichen Anwesen, beginnt ein schmaler Durchgang, der Corte Isolani. Hier sollen irgendwo sollen drei mittelalterliche Pfeile stecken – seinerzeit von Bösewichten verschossen, die sich von einer entblößten hübschen Frau haben ablenken lassen.
Der Durchgang ist schick restauriert, es gibt Boutiquen, Cafés und Restaurants, aber keine Pfeile. Einmal ganz durch – und wieder zurück. Ganz vorne stehen Leute und legen den Kopf in den Nacken.
Aha, dort oben in den Holzbalken unter dem Vorbau also? Vielleicht.
Aber wie war das denn nun genau? Hatten die Bösewichte es auf den reichen Ehemann der Schönen abgesehen? Oder hat der gehörnte Ehemann seine Holde in Flagranti mit ihrem Liebhaber entdeckt? Von der Geschichte gibt es mehrere Versionen, die man sich so hinbiegen kann, wie man mag.
Bologna: Die Stadt mit den Bogengängen
Am frühen Abend ist die Stadt voller Menschen. Zum Aperitif serviert man ein reichhaltiges Häppchen-Buffet. Die Straßen sind voller Musik und vom Kirchturm herab geht der Blick über das Lichtermeer.