Galati - Blick über die Donau

Von Bukarest nach Galati

Vormittags gehe ich noch einmal in die Stadt, vom gepflegten Cișmigiu-Park über die Touristen-Hauptrennstrecke rund um die Lipscani-Straße, wo ich vorgestern Abend war. Jetzt geht es hier viel ruhiger zu, von der spätabendlichen Reeperbahn-Atmosphäre ist nicht mehr viel übrig. Ich entdecke die berühmte Buchhandlung, die in jedem Reiseführer steht, die ist wirklich sehr schön und hat auch eine Abteilung mit englischsprachigen Büchern. Ich brauche gerade keine Bücher, aber oben gibt’s auch ein Café und der klimatisierte Laden ist angenehm kühl. Ich finde auch den traditionsreichen Hanul Manuc, die ehemalige Karawanserei, die noch auf osmanische Zeiten zurückgeht und bin froh, mir die Altstadt noch einmal bei Tageslicht angesehen zu haben.
Dann geht’s zum Bahnhof. Mein Zug nach Galati geht in einer halben Stunde, ich bin also rechtzeitig da, habe genügend Zeit um eine Fahrkarte zu ergattern – denke ich. Vor den Fahrkartenschaltern sind lange Schlangen. Es gibt auch Automaten – und auch wenn es heißt, die seien ständig kaputt, einen Versuch ist’s wert. Die Menüführung ist umständlich, aber immerhin funktioniert es auch auf englisch – aber irgendwann bricht der Verkaufsvorgang mit einer Fehlermeldung ab. Reumütig stelle ich mich in die nächste Schlange.
Da geht’s nur langsam voran, ein Kunde vor mir hat ein offenbar sehr komplexes Anliegen, es dauert Ewigkeiten, und ich werde allmählich nervös, denn inzwischen ist mein Zug schon angeschlagen.
Als ich endlich drankomme, ernte ich nur ein Kopfschütteln: der Zug ist ausgebucht. Der spätere Zug (es gibt nur noch einen – und der kommt sehr spät abends an) ebenfalls, und Fahrkarten ohne Reservierung werden nicht verkauft.
Ich probiere es nochmals erfolglos am Automaten, ein Typ spricht mich auf englisch an und will mir eine Taxifahrt verkaufen, ich lehne dankend ab.
Und jetzt? Habe ich noch eine Chance?
Ich begebe mich zum Bahnsteig, der Zug steht schon bereit. Ich frage einen Uniformierten, ob es möglich ist, im Zug nachzulösen, und er nickt.
Ich steige ein, wuchte meinen Koffer in die Gepäckablage und finde einen Sitzplatz, den bislang niemand beansprucht hat. Ich habe ja noch zehn Minuten Zeit und kann probieren, per Handy online ein Ticket zu erwerben – aber dazu muss ich mich erstmal im Kundenportal der rumänischen Eisenbahn anmelden, und letzendlich klappt es dann genauso wenig.
Der Zug fährt los. Ich suche den Zugbegleiter und kann tatsächlich problemlos eine Fahrkarte erwerben – zwar mit saftigem Aufpreis, aber das muss mir jetzt egal sein. Ich nehme wieder Platz und dann sehe ich, wie der junge Mann neben mir ebenfalls ganz entspannt sein Ticket beim Zugbegleiter nachlöst.
Der Zug ist voll, aber nicht überfüllt. Auch während der nächsten Stunden macht mir niemand meinen Sitzplatz streitig.
Mal geht’s recht schnell und zügig, dann wieder langsam und gemächlich, durch eine weite und staubige Ebene, hin und wieder Flussläufe, breite Flussläufe, aber nur dünne Rinnsale darin, daran der eine oder andere Angler. In Fahrtrichtung links in der Ferne das hügelige Karpatenvorland, nach rechts endlose Ebene, abgeerntete Getreidefelder, Sonnenblumen. In Buzau biegt der Zug in Richtung Osten ab, jetzt links und rechts nur die staubige Ebene bis zum Horizont, zeitweise fast steppenartig.
Der Himmel bewölkt, vor allem im Westen, da sieht es fast nach Gewitter aus, einmal regnet es auch ein paar Tropfen.
Der Zug nähert sich seinem Endziel, kommt in Galati an, Alles steigt aus. Über eine Rolltreppe gelange ich ins Bahnhofsgebäude und – durch Schaden klug – kaufe ich gleich mein Ticket von hier nach Iasi für morgen Nachmittag.
Mein Hotel ist direkt am Donau-Ufer und vom sechsten Stock aus habe ich einen herrlichen Blick über den breiten Fluss, die Auwälder und das flache Land auf der anderen Seite. Am hiesigen Ufer gibt es eine breite Promenade und ein Stück weiter entfernt sind Kräne und Hafenanlagen.
Ich gehe am Ufer entlang, es ist immer noch warm. Die halbe Stadt ist hier unterwegs, die Promenade ist gesäumt von Eis- und Imbissbuden sowie ein Kneipen und Restaurants. Am gegenüberliegenden Ufer ist wohl ein Campingplatz und dort findet wohl entweder eine Mega-Party, ein Konzert oder ein Festival statt – jedenfalls schallt von dorther laute Partymusik herüber.
Ein paar hundert Meter stromabwärts finde ich eine Art Biergarten, da gibt’s Bier, Mici und Pommes – und mehr brauche ich nicht. Ich nehme Platz, im Schatten unter Bäumen, direkt an der Donau mit herrlichem Blick über den Fluss. Die kleinen Tische sind gut besetzt: Familien, Paare, Männergruppen – so ziemlich jeder scheint sich hier zu treffen.
Es ist einfach herrlich! Ich bin jetzt im wirklich im hintersten Winkel von Rumänien, nur 15 Kilometer sind es von hier bis zur Grenze nach Moldawien und die Ukraine ist auch nicht weit. Es ist auch spät abends noch schwülheiss, knapp und unter 30 Grad. Wer Pommes bestellt, bekommt eine Box mit Papiertaschentüchern (also so eine Box) auf den Tisch gestellt und ein paar Tütchen mit Salz und Zahnstocher. Das Bier gibt’s im Plastikbecher, und den kann man sich an der Theke einfach wieder auffüllen lassen. Es ist einfach herrlich, einfach ein wunderbarer Ort!

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