Peschici: Wo ist das Meer?
Aufwachen, frühstücken, und dann ab in den Pool.
Das Wasser ist kühl, der Himmel blau – und das Meer nur einen Steinwurf entfernt. Raus aus dem Pool, das Hotelgelände durch den Hintereingang verlassen und keine hundert Meter weiter, am Ende des asphaltierten Weges beginnt der Strand. Also, schwupps, und… wenn das mal so einfach wäre!
Strände sind in diesem Land streng parzelliert. Links von mir stehen lauter gelbrotgestreifte Sonnenschirmchen akkurat in Reih und Glied vor roten und gelben Sonnenliegen. Den Eingang zum gelbroten Reich ziert ein fröhlicher Torbogen. Eine Reihe von Pfosten markiert die Grenze. Unmittelbar dahinter regieren die blauweißen Schirmchen, ebenso akkurat platziert und das weißblaue Tor wird von einem Zerberus bewacht, begleitet von einem Schild, welches eindeutig klarstellt, dass Personen, die nicht zum weißblauen oder zum rotgelben Kundenkreis gehören hier nichts verloren haben.
Etwa hundert Meter weiter ist ein Streifen sonnenschirmlosen Strandes. Aber wie hinkommen, ohne das weißblaue oder rotgelbe Territorium zu durchqueren? Zwischen dem sonnenschirmfreiem Strand und dem Rest der Welt ist eine Mauer. Darin ist ein Tor. Das steht offen. Hinter dem Tor ist ein Gemüsegarten, der sich bis zur Straße erstreckt. Da ist noch ein Tor. Daran ein Schild, welches sagt, dass es sich hier um Privatgelände handelt und der Durchgang strengstens verboten ist.
Was eine mit Strandutensilien bepackte Familie nicht daran hindert, erhobenen Kopfes hindurchzuschreiten. Dicht gefolgt von einem jungen Pärchen, einem älteren Paar, einer weiteren Familie und einem Herrn mit Hund.
Ich werde noch eine Weile brauchen, bis ich diese Regeln verstanden habe.
Peschici: Wie der Strand funktioniert
Heute gibt’s Wellen. Die sind zwar ganz zahm, kein Surfer würde sich die die Mühe machen, sein Gerät auszupacken und in anderen Gefilden täte man das Ganze als leichtes Gekräusel ab – hier und jetzt aber ist die Situation so ernst, dass an den Hochsitzen der Strandwächter die rote Flagge gehisst wird.
Die Badegäste halten sich dran. Fast alle. Wer doch reinhupft, der hat heute das ganze Meer für sich allein.
Der Rest bleibt brav auf den Liegen unter gelb-roten oder blau-weißen Sonnenschirmchen oder auf anarchisch ausgebreiteten Strandlaken in der umparzellierten Zone. Da haben sich auch die die afrikanischen Händler niedergelassen: Frisch vom Badetuch gibt es Handtaschen, Turnschuhe, Uhren und frischgepresstes extra-jungfräuliches Olivenöl zu kaufen. Für Letzteres werden nur Bestellungen entgegengenommen, geliefert wird dann direkt zum Hotel.
In Badehose vorbei an schwer arbeitenden Gemüsearbeitern durch den verbotenen Gemüsegarten zu laufen erschien mir doch ein wenig unpassend – stattdessen durchquere ich das parzellierte Areal exakt an der Grenze zwischen der blauweißen und rotgelben Zone, bereit, jederzeit ins Ausland überzuwechseln, falls ich angesprochen werden sollte, aber es interessiert sich zum Glück niemand für meine Grenzverletzungen.
Die vordersten fünf Meter – direkt am Wasser – sind übrigens so eine Art internationale Zone. Da darf man unbehelligt entlangflanieren – oder den Einwohnern aller Zonen vom handgezogenen Wagen herab bunte Tücher und anderen Schnickschnack verkaufen.
Zum Schwimmen zieht man sich dann besser doch wieder an den Hotelpool zurück.
Peschici: die weiße Stadt am Meer
Ein Haufen weißer Häuserwürfel auf einem Felsenkamm, der die Bucht überragt.
Nicht so makellos weißgetüncht wie anderswo, keine markanten Bauwerke, die aus dem Würfelhaufen herausragen würden.
Mit dem Auto fährt man eine Serpentinenstraße hinauf. Zu Fuß kann man die Treppen nehmen.
Oben angekommen erreicht man ein Gewusel von engen Gässchen. Nichts Besonderes auf den ersten Blick.
Regen in Peschici
Es regnet.
Seit gestern Abend. Die ganze Nacht lang. Wie kann das sein?
„Die wenigen Niederschläge fallen in dieser Region weitgehend ausschließlich im Herbst und Winter.“, so heißt es im Reiseführer. Und auf Wikipedia, wobei man sich fragt, wer wohl von wem abgeschrieben hat. Jedenfalls hatten sie Unrecht: Es regnet, ununterbrochen, seit mindestens zehn Stunden schon und die weiße Stadt ist grau geworden.
Grau ist auch das Meer, leicht gekräuselt, wie gestern. In Regenjacken verpackt stapfen wir zum Hafen, wo unser Schiff wartet…
Isole di Tremiti
Als ich nach dem Aufwachen aus dem Fenster schaue, regnet es. Es hat wohl die ganze Nacht geregnet. Auf dem Weg zum Hafen nieselt es nur noch, und es ist ein warmer Sommerregen.
Das kleine Boot pflügt in einem derartigen Affenzahn über das Meer, dass man schon einen sehr guten Magen braucht um nicht seekrank zu werden. Ich schließe die Augen, schlafe ein, döse die Küste entlang und über das offene Meer. Irgendwann wage ich mich nach draußen aufs Deck – und, o Wunder, die Wolken sind weg, die Sonne strahlt und links voraus kann man schon die Inseln sehen. Nach zwei Stunden ist die kleine Insel San Nicola erreicht und der Himmel auch wieder so blau, wie sich das für diese Jahreszeit in dieser Gegend gehört.
Blick aus dem Fenster: Da prescht ein Schlauchboot mit Außenbordmotor vorbei und der Skipper scheint nicht zu merken, dass sich ein Stapel Papiere selbsttändig macht und über das Wasser verteilt. Zur anderen Seite eine kleine Hafenmole, dahinter ein Restaurant. Im Obergeschoss residiert die Guardia die Finanza.
„Willkommen am Nabel der Welt!‟ steht auf einer Tafel an der Hafenmauer.
Ein Cappuccino im Stehen.
Die Dame hinterm Tresen erklärt einem italienischen Touristen, was es hier auf der Insel so zu sehen gibt.
Der einzige Weg führt durch einen Tor steil bergauf zwischen dicken Mauern hinauf in die ehemalige Festung, die früher einmal eine Art Strafkolonie war. Heute ist hier eine freundliche kleine palmengesäumte Piazza mit Läden, Cafés, dem Rathaus und zwei oder drei Pensionen. Eine Freitreppe führt hinauf zur Kirche. Links daneben ist ein Kreuzgang und dahinter wieder dicke Festungsmauern. Ein Pfad führt über einen schmalen Grat – rechts und links fallen die Felsen fast senkrecht zum Meer hin ab – zum hinteren, unbewohnten Teil der Insel, hier gibt es nur sonnendurchglühtes Grasland, Gestrüpp und eine militärische Antennenanlage.
Also schnell wieder zurück, zum Hafen hinunter, wo das offene Ausflugsboot wartet. Einmal um die beiden bewohnten Inseln herum, an lauschigen Buchten und Felsen vorbei, in eine Grotte hinein und dann Badepause vor der unbewohnten dritten Insel Capraia. Hier soll es auf dem Meeresboden eine versenkte Heiligenstatue geben.
Ankunft auf San Dominio, der zweiten, größeren bewohnten Insel. Hier gibt es duftende Pinienwälder, ein kleines Dorf mit einer handvoll Restaurants, Hotels und Pensionen und immer wieder einen herrlichen Blick auf das tiefblaue oder türkisgrüne Meer.
Kurze Überfahrt zurück nach San Nicola, im Hafencafé noch etwas getrunken und dann eine schaufelige Rückfahrt zum Festland.
Peschici: im Fegefeuer
Sobald die Sonne untergegangen ist, verwandelt sich die weiße Stadt.
Dann ist sie weder weiß noch grau, sondern bunt. In den engen Gassen tobt das Leben.
Neben der Kirche ist die Fegefeuer-Gasse. Die ist ganz kurz, führt steil hinab und endet nach vielleicht zwanzig Metern an einer Weinbar.
Nein, sie endet dort nicht. Sie geht noch weiter, einen knappen Meter scharf links und dann noch steiler bergab, so schmal, dass ein beleibterer Mensch den Bauch einziehen müsste um durchzukommen. Heute Nacht aber ist gar kein Durchkommen: Vor der Weinbar tobt das Leben. Auf den wenigen Quadratmetern hat sich eine Band positioniert und spielt von schnulzigen Schnulzen bis hin zu landesüblichen Top-Hits alles, was die Leute hören wollen. Man holt sich seinen Wein oder sein Bier aus der Bar, trinkt und singt mit….
Sommergewitter am Gargano
Morgens noch im Meer geplanscht.
Mittags ein Spaziergang am Strand und ein herrlich entspanntes Mittagessen unter Sonnenschirmen. Spaghetti, Bruschetta und Weißwein. Es ist schwül, nachmittags dann zunehmend windiger, der Himmel erst diesig dann zunehmend bewölkt.
Am frühen Abend dann noch einmal in die Stadt, ein wenig durch die Gassen flaniert: inzwischen ist es deutlich kühler geworden, der Himmel ist grau und über dem Meer sind schwere dunkle Gewitterwolken.
Zum Abendessen in ein Terrassenlokal mit Blick über die Bucht: die Dame des Hauses bittet uns nach drinnen, der kleine Gastraum wirkt fast wie das Wohnzimmer der Familie. Bei Pizza und Wein wird es draußen richtig dunkel und dann pladdert ein wolkenbruchartiger Regen und die Gassen verwandeln sich in Sturzbäche…