Von Wien über Deutschland nach Italien

Eine ungeplante Nacht in Wien

Alles ist schon bezahlt: das Hotel in Triest morgen Abend, das Hotel in Venedig, die Rückfahrt im Schlafwagen Single-Deluxe-Abteil und vor allem die Hinfahrt mit ebenjenem Zug, der da jetzt vor mir steht und in zwölf Minuten losfahren wird, aber nicht nach Italien.
„Die Rückfahrt können’s sich erstatten lassen, aber nur bis neun Uhr, da müssen’s sich beeilen!“
Also doch mit diesem Zug bis Villach fahren und dann von dort mit dem Bus oder auf anderem Wege weiter?
„Keine Ahnung ob da irgendwas geht! Ich würd‘ nichts drum geben!“
So. Jetzt scharf nachdenken.
Es ist fast neun Uhr abends, es ist Winter, ich bin in Wien und komme hier definitiv nicht mehr weg. Glück im Unglück: hier am Bahnhof gibt es offenes und kostenloses Wlan. Nochmal Glück gehabt: Ich finde ein Hotelzimmer, neununddreißig Euro ohne Frühstück, irgendwo hier in Bahnhofsnähe.
Noch ist das Reisezentrum geöffnet. Vor den Fahrkartenverkaufsschaltern ist eine lange, lange, Schlange und vermutlich werden sie jetzt demnächst irgendwann die Türe abschließen.
Also, Rolltreppe runter, durch die Glastür ins Reisezentrum. Vor den Fahrkartenschaltern sind lange Schlangen. Es gibt einen „Informations“-Schalter, da ist die Schlange kürzer. Vor mir eine Gruppe von drei jungen Amerikanerinnen mit Rucksäcken, die diskutieren lange und der Typ auf der anderen Seite – Lockenmähne, Bart und Nickelbrille – lässt gerne mit sich diskutieren. Hinter mir wird die Schlange minütlich länger. Endlich sind die Amerikanerinnen weg, der Typ drückt mir ein Erstattungsformular in die Hand und sagt mir, dass auch morgen nichts mehr geht und wenn ich einen Riesenumweg fahren will, dann ist das meine Sache und eine Fahrkarte kann er mir sowieso nicht mehr verkaufen weil er erstens nur für Informationen zuständig ist und zweitens sowieso jetzt Feierabend hat. Die Leute in der Schlange hinter mir müssen sich in andere Schlangen einsortieren.
Ich auch. Also reihe ich mich in die nächste Schlange ein.
Vor mir steht ein junger Mann aus Serbien in Begleitung seiner Mama, die einer Dame aus Ungarn erzählt, dass Sohnemann morgen auf eine Hochzeit in die Schweiz soll, aber kein Wort Deutsch spricht.
Nach zwanzig Minuten bin ich kaum einen Meter weit voran gekommen. Jeder hier scheint irgendein kompliziertes Problem zu haben. Vermutlich bin ich nicht der einzige, der aus dem Venedig-Zug herausgeworfen wurde. Wenn es also in diesem Tempo weitergeht…. kurze Kalkulation: drei geöffnete Schalter, vor mir ein knappes Dutzend Leute, die meisten allerdings in zweier- oder Dreiergrüppchen… um einundzwanzig Uhr sechsunddreißig bin ich endlich an der Reihe. Mein Schlafwagenticket kann ich umtauschen. Und morgen früh um sechs Uhr dreißig kann ich über Salzburg, Innsbruck, Bozen und Verona nach Venedig und weiter nach Triest fahren, dann bin ich abends um halb sieben dort. Ich muss natürlich ein neues Ticket bezahlen und das ganze kommt mich dann teurer als…. egal, ich habe keine andere Wahl.
Um kurz nach zehn bin ich wieder draußen im Wiener Nieselregen. Im Glatteismatsch schlittere ich die Straße entlang. Immer wieder verfangen sich kleine Streugutgranulatsplitsteinchen in den Rollen meines Trolleykoffers. Rechts donnern die Autos vierspurig über den Neubaugürtel, links sind grelle Leuchtreklamen: schmierige Kebab- und Pizzabuden, zwielichtige Wettbüros, Cafes und schummerige Kneipen, ab und zu in den Seitenstraßen ein Hotelschild, hier und da auch der eine oder andere Rotlichtschuppen. Ein richtiges Bahnhofsviertel eben. In noch nicht allzu ferner Vergangenheit gingen hier auch die Bordsteinschwalben auf Kundenfang, aber seit einigen Jahren ist der Straßenstrich verschwunden. Ich weiß ungefähr, wo mein Hotel sein müsste, nämlich irgendwo links von mir in einer Seitenstraße…. aber ich finde es nicht. Und blöderweise habe ich mir auch keinen Stadtplan ausgedruckt bzw. abgespeichert.
In der nächsten Dönerbude frage ich nach dem Weg.
Papa Döner weiß es auch nicht, aber tippt in seinem Handy herum.
Sohnemann- Döner schüttelt den Kopf, macht zwei Döner fertig, packt sie in Alufolie und schüttelt erneut den Kopf.
„Kennen wir nicht! Frag doch einen Taxifahrer!“
Papa Döner blickt von seinem Handy auf.
„Eins komma eins Kilometer!“ sagt er stolz, „Hier gegenüber links rein und dann die erste oder zweite Seitenstraße!“
ich folge seinen Anweisungen, aber auch die dritte Seitenstraße hat einen anderen Namen. Immerhin gibt es da ein Hotel. Und da steht kein Name dran.
Von drinnen sieht der Laden erstaunlich ansprechend aus, sauber, modern und schick alles. Natürlich nicht der Laden, den ich gebucht habe.
Aber dasMädel an der Rezeption sucht geduldig auf Google Maps und zeigt mir den Weg auf dem Stadtplan. Ich bedanke mich… gehe um ein paar Ecken…. und der Laden ist erstaunlich ansprechend und sauber, und Wlan gibt’s auch!
Ich lasse mich aufs Bett fallen und gönne mir das Bier, das ich vorhin im Lebensmittelladen am Bahnhof gekauft habe.

Von Österreich über Deutschland nach Italien

Wien, fünf Uhr in der Früh. Noch vor dem Wecker werde ich wach. Aufstehen, Duschen, Zusammenpacken, Auschecken…. Trolleykoffer über Bürgersteig und wie gestern verklemmen sich ständig kleine Streugutgranulatsteinchen zwischen den Kofferrollen.
Eine türkische Bäckerei hat schon geöffnet, da gibt’s Spinat-Blätterteiggebäck, Sesamkringel und Croissants. Wenige Minuten später bin ich am Bahnhof. Auch hier sind die Bäckereibuden schon geöffnet, ich hole noch mir einen Kaffee und noch ein Marzipancroissant, balanciere meine Provianttüten plus Kaffeebecher zum Bahnsteig, wo der Zug schon bereitsteht.
Menschen drängen in die Wagons, von vorne, von hinten… ich krame meine Fahrkarte heraus, habe zum Glück einen reservierten Platz, was ich normalerweise nie mache, für heute aber war es definitiv eine gute Entscheidung, denn der Zug ist brechend voll. Ich finde meinen Platz, schlürfe meinen Kaffee, schließe die Augen und lehne mich zurück. Der Zug ruckt an. Draußen stockfinstere Nacht, auch in St. Pölten noch und in Linz schaue ich im Dämmerlicht auf eine schmutzige Schneedecke. Nochma. Augen zu bis Salzburg. Da beschließe ich, wach zu werden.
Der Zug, überquert die Salzach – kurzer Blick auf das Altstadtpanorama mit der Festung im Hintergrund – und dann geht es über die Grenze um ein Stück Deutschland zu durchqueren ohne anzuhalten.
Nebel über dem Chiemgau. Die Berge sieht man nicht. Schmutzige Restschneedecke. In Prien liegt kein Schnee mehr. Der Schaffner zwickt meine Fahrkarte und diskutiert mit der jungen Frau schräg gegenüber, die hat nämlich ihr Ticket als SMS aufs Handy bekommen, aber es funktioniert nicht. Ich stehe auf und begebe mich in den Speisewagen. Einen Kaffee bitte. Was für einen Kaffee? Espresso, Verlängerter, Melange oder Cappuccino? Oh, in Österreich darfst Du niemals einfach nur einen Kaffee bestellen, auch wenn ich streng genommen, momentan gar nicht in Österreich bin!
Im Speisewagen sitzen nur noch zwei grauhaariger Herren und tippen auf ihren Handys herum. Es geht durch Waldlandschaft, Nebel, Schneereste, am Simssee entlang, normalerweise sieht man hier Berge, aber momentan sind grad keine da.
In Kufstein überquert der Zug wieder die österreichische Grenze. Ich trinke meinen Kaffee aus und gehe auf meinen Sitzplatz zurück. Pünklich kommen wir kurz vor elf in Innsbruck an. Endstation, meine Damen und Herren, alles aussteigen, bitte rasch aussteigen, damit der Zug jetzt gereinigt werden kann.
Ich habe eine knappe halbe Stunde. Zeit, um einen Kaffee zu trinken?
Ich trete hinaus auf den Bahnhofsplatz. Autos und Straßenbahnen, Laternenmasten, Reklametafeln und Bürohausfassaden wie an jedem beliebigen Bahnhofsvorplatz jeder beliebigen europäischen Großstadt…. aber hinter den Bürohausfassaden funkeln die Berge… Schneebedeckte Berge vor einem kristallklaren blauen Winterhimmel, zum Greifen nah knapp hinter den hässlichen Bürohausfassaden….

Ohne einen Pfennig in der Tasche am Brenner

Staunend schaue ich auf die schneebedeckten Berge.
Zwei Polizisten auf Streife und ein paar Einheimische gehen an mir lächelnd vorbei. Eine Kirchturmuhr schlägt. Jetzt habe ich noch zwölf Minuten. Ich gehe ich zum Bahnsteig zurück, der Zug kommt pünktlich, ich finde meinen reservierten Platz, wuchte den Koffer in die Gepäckablage, hänge den Mantel auf, suche Fahrkarte und Geldbörse…. Geldbörse?
Geldbörse?
Im Rucksack?
Im Mantel?
Im Koffer vielleicht?
Wirklich nicht im Rucksack?
Wirklich nicht?
Wirklich nicht!
Noch eine halbe Stunde, dann bin ich ohne einen Pfennig Geld in Italien!
Der Zug schraubt sich ganz langsam und gemächlich durch eine wunderschöne Berglandschaft.
Ich erwische den Schaffner. Der schaut mich mitleidig an, aber immerhin versucht er zu tun, was man tun kann: Sofern sein Handy Netzempfang hat, telefoniert er kreuz und quer durchs Land. Den Schaffner von dem vorherigen Zug erwischt er leider nicht mehr, der hat schon Feierabend. Im offiziellen Fundbüro wurde noch nichts abgegeben. Was man sonst noch tun kann?
„Wenn Sie Glück haben, schmeißt es irgendjemand in ein paar Tagen in irgendeinen Mülleimer und da wird es dann gefunden und an das Fundbüro Ihres Wohnortes geschickt….“
Soll ich einfach weiterfahren? Immerhin: Hotels und Rückfahrkarte sind bereits bezahlt… ich könnte morgens beim Frühstücksbuffet zulangen und dann den Rest des Tages fasten und von Leitungswasser leben…. eine ganze Woche lang? Ohne Ausweis, ohne irgendwelche Papiere?
„Machen Sie keinen Quatsch! Steigen Sie am Brenner aus und fahren Sie nach zurück!“
Und wie kann ich die Fahrkarte bezahlen?
„Wenn der Kollege ganz penibel ist, dann kann er Ihnen eine Zahlungsaufforderung ausschreiben… aber vielleicht ist er ja nett und nicht unbedingt scharf auf überflüssigen Schreibkram!“
Am Brenner steht der Gegenzug schon bereit. Rasch steige ich um und schaukele durch dieselbe, immer noch wunderschön-pittoresk verschneite Berglandschaft zurück nach Innsbruck.
Der Schaffner weiß schon Bescheid und hat kein Interesse an vermeidbarem Schreibkram. Noch einmal schaue ich alles durch: Rucksack, Koffer, Mantel…. nichts!
Ich wage gar nicht daran, zu denken, was ich jetzt tun soll, wenn sich das Portmonee wirklich nicht mehr findet, wovon man ja fast ausgehen kann… Wie soll ich nach Hause kommen, ohne einen Pfennig Geld?
Schwarz fahren und auf gnädige Schaffer hoffen? Und dann zu Hause… Bankkarten sperren lassen, neue Karten beantragen, dazu Ausweis und Führerschein….. es gibt spannendere Möglichkeiten, seinen Urlaub zu verbringen!
Die Landschaft ist immer noch wunderschön, der Schnee wird weniger, verschwindet ganz, wir unterqueren die berühmte Europabrücke und hinter einem Tunnel fangen dann die Häuser von Innsbruck an.
Ich steige aus.
Informationsschalter: „Gehen’s zum Fundbüro, um die Ecke!“
Das ist aber geschlossen.
„Müssen’s halt bis dreizehn Uhr dreißig warten!“
Bis vierzehn Uhr, um genau zu sein, das stand zumindest an der entsprechenden Tür…. oder?
„Sehen Sie den jungen Mann da draußen? Das ist der Kollege vom Fundbüro, schnell, rennen Sie ihm hinterher, dann erwischen Sie ihn noch!“
Ich renne ihm hinterher und erwische ihn. Er bespricht sich mit einem Kollegen, der eine wichtige gelbe „Security“-Weste trägt. Der führt mich in eine geheime Raucherecke hinter der Fahrdienstleiterbürobaracke auf Bahnsteig Eins und fängt an zu telefonieren…. der Zug steht irgendwo auf einem Abstellgleis und wird gerade gereinigt. Hat schon jemand etwas gefunden? In Wagon 32? Oder im Speisewagen? Ja, irgendwo ist jemand auf dem Weg zum Fundbüro mit einer Fundsache… nee, Fehlalarm, das war eine große schwarze Tasche… in Wagon zweiunddreißig war nichts… das Handy des Security-Mannes klingelt. Jawohl, sie haben es gefunden. Im Speisewagen.
Der Security-Mann macht sich auf den Weg zum Abstellbahnhof. Ein Kollege muss ihn begleiten, wegen Vier-Augen-Prinzip, damit niemand sagen kann, er hätte sich etwas in die Tasche gesteckt.
In einer Viertelstunde geht ein Zug nach Venedig. Erwische ich den noch?
Na gut, zwei Stunden später geht auch noch einer….
Die beiden Security-Leute kommen freudestrahlend zurück. Hat alles geklappt. Sogar das Bargeld ist noch drin!
Ich drücke ihnen ein paar Scheine Finderlohn in die Hand und mache mich im Laufschritt auf den Weg zum Bahnsteig, wo der Eurocity nach Venedig gerade einfährt.

Von Innsbruck nach Triest

Ich setze mich in den Speisewagen. Eine Gruppe von drei Männern – nicht jung, nicht alt – sitzt hinter mir, sie trinken Bier und fachsimpeln über Eisenbahnthemen. Mindestens einer von ihnen hat beruflich mit der Bahn zu tun.
Ich ordere einen Kaffee… obwohl… eigentlich brauche ich jetzt ein Bier! Kann ich die Bestellung noch ändern? Ja, das passt, Kaffee geht eh gerade nicht, weil wir keinen Strom haben. Der Zug steht im Bahnhof, Reisende stehen draußen herum, außerdem verdächtig viele Leute mit gelben Warnwesten… ist irgendwas Schlimmers passiert? Zehn Minuten Verspätung, sagt die Anzeigetafel, dann ist es eine Viertelstunde, und dann…. die Lämpchen an den Speisewagentischchen fangen wieder an zu leuchten, wir haben offenbar Strom und dann geht’s auch los, durch die Stadt, durch den Tunnel, durch das Tal, hinauf in die verschneite Winterlandschaft, durch die ich heute schon zweimal gefahren bin.
Am Brenner ordere ich etwas zu essen.
„Dauert ein paar Minuten, wir haben gerade keinen Strom!“
Habe ich den Spruch nicht schonmal gehört?
Die Eisenbahnexperten steigen aus. Der Zug bleibt stehen und die Tischlämpchen verlöschen.
Ein Anzugträger faucht den Kellner an.
„Warum dauert das denn so lange? Wir haben doch schon mindestens eine Viertelstunde Verspätung!“
„Weil wir eine neue Lokomotive bekommen!“
„Muss das sein? Kann die deutsche Lokomotive nicht bis Venedig weiterfahren?“
„Nein, wir bekommen eine italienische Lokomotive!“
„Aber früher….“
„….auch früher war das schon so!“
Leute, freut Euch, dass Ihr sonst keine Sorgen habt!
Ich trinke entspannt mein Bier aus, und ein paar Minuten später geht es auch weiter, kann kriege ich meine Nudeln und der Zug fährt durch die Winterwunderlandschaft bergab hinunter ins Tal. Bei Franzensfeste ist der Schnee weitgehend verschwunden und vor Bozen bestelle ich mir ein zweites Bier.
Der Zug fährt das breite Etschtal entlang, der Himmel ist bewölkt und die Gipfel der Berge im Nebel versteckt. Irgendwo bei Trient gibt es Weinberge. Winterlich kahl natürlich, aber ohne Schnee. Die ältere Dame erzählt, dass sie in Verona umsteigen wird um an den Gardasee zu fahren, wo ihr Sohn und die Schwiegertochter wohnen und einen Handel mit Nahrungsergänzungsmitteln betreiben. Die andere Dame reist geschäftliche nach Verona, zu einer Messe. Sie ist auch schon seit gestern unterwegs und hätte, wie ich, eigentlich den Nachtzug über Udine nehmen wollen.
Dann werden die Berge immer flacher, verschwinden ganz, und bei Verona wird es dämmerig. Flüsse sind über die Ufer getreten, es regnet leicht und auf der parallell zur Bahnstrecke verlaufenden Landstraße staut sich der Verkehr kilometerweit.
Ich bezahle meine Rechnung im Speisewagen, ziehe mich in einen normalen Sitzwagen zurück und döse bis Venezia-Mestre. Es ist viertel nach acht am Abend und wir haben gut zwanzig Minuten Verspätung. Ich steige aus.
Ein dunkler, schmieriger Bahnsteig mit Regenpfützen und fröstelnd wartenden Reisenden. Lautsprecheransagen auf italienisch.
Ich gehe durch die Unterführung in die zugige Bahnhofshalle, da gibt es Anzeigetafeln, nicht alle funktionieren und nirgendwo steht etwas von einem Zug nach Triest. Fahrpläne aus Papier gibt es auch, und da sehe ich, dass vor genau einer Minute ein Zug in meine Richtung ohne mich abgefahren ist, und der Nächste geht in einer knappen Dreiviertelstunde.
Draußen ist eine regennasse Straße mit Autos und Taxis und Hotels und Restaurants.
Oh, ein Cafe gibt’s auch! Ich rolle meinen Koffer über die Straße und ordere einen Espresso im Stehen.
Austrinken, dann der Versuch einer Ortsbesichtigung, ich habe ja schließlich Zeit. Nieselregen. Fünfzig Meter die Straße lang, dann gehe ich wieder zurück. Jetzt itrennt mich nur noch eine Viertelstunde von der Abfahrtszeit meines Zuges.
Die Viertelstunde geht vorbei, ein langer Regionalzug tuckert heran, Leute steigen ein und der Zug tuckert mit mir los durch die Nacht.
Vorortsiedlungen im Dunkeln, hier und da irgendwelche Stationen, deren Namen irgendwie alle gleich klingen.
Der Schaffner kommt und will meine Fahrkarte nicht akzeptieren: eine legal in Österreich erworbene Fahrkarte von Wien West nach Trieste Centrale, vierzehn Stunden lang quer durch Mitteleuropa…. aber nein, angeblich gelte sie nicht in diesem Regionalzug, und wenn, dann hätte ich sie vorher abstempeln müssen, was mir alles nicht unbedingt schlüssig vorkommt, da das Ticket auf dem Weg hierher ja schon mehrfach abgeknipst worden ist.
Aber wie will ich das jetzt auf italienisch erklären? Gerne würde ich ihm erzählen, was ich heute schon alles erlebt habe, aber ob ihn das interessieren würde?
Manchmal ist es besser, nichts zu verstehen! Und so gibt der gute Mann schließlich auf und zeigt sich gnädig, aber beim nächsten Mal, Signore, nur mit der richtigen Fahrkarte und nicht ohne Abstempeln!
Ich nicke artig, hole ein dünnes Taschenbuch heraus und lese ein wenig über die Stadt, die zu besuchen ich im Begriff bin. Hinter Monfalcone fängt rechts von mir das Meer an. Oder so ähnlich, aber draußen ist nur Dunkelheit. Der Zug fährt schneller. Und dann sind vorn irgendwo Lichter.
Ist das schon Triest? Ich bin gespannt auf diese Stadt! Ich packe meine Sachen und schaue aus dem Fenster. Rechts von mir ist das Meer, jetzt kann man es trotz Dunkelheit erkennen, mit Lichtern, die sich darin spiegeln.

Zurück zu Teil 1 (Wien) / Weiter zum 3. Teil: Triest im Februar / Zur Übersicht

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert