Von Ulm nach Oberstdorf: Unterwegs zum südlichsten Bahnhof Deutschlands

Ulm Hbf: der rote Dieseltriebwagen der DB-Regio steht am Bahnsteig bereit und ist schon eine Viertelstunde vor der Abfahrt brechend voll mit Urlaubern mit sperrigem Gepäck. Am Bahnhof ist es schwülheiß, im Zug die Klimaanlage noch nicht eingeschaltet und die Temperatur steigt minütlich. Im Türbereich steht ein junger Mann und trinkt Bier.
Endlich wird der Motor angeworfen, tuckert los, die Klimaanlage rauscht und die Steckdose hat Strom. Es geht los.
Neben mir sitzt eine junge Frau, mit großem Rucksack, sie schaut nervös auf ihr Handy. Die Dame mittleren Alters gegenüber schaut müde aus dem Fenster. In der Vierersitzgruppe gegenüber eine Familie arabischer Herkunft, Sohn im Kindergartenalter und Baby auf Mutters Schoß, Vater und Sohn tragen Baseball-Mützen.
Noch vor dem ersten Stopp, Illertissen, dann ein Halt auf freier Strecke: die Weiterfahrt verzögert sich um unbestimmte Zeit, wir warten auf einen entgegenkommenden Zug. Es sind dann doch nur wenige Minuten. Draußen strahlt die Sonne vom blauen Himmel und die Landschaft mit wellig-grünen Blumenwiesen und putzig-aufgeräumt bayerischen Dörfen sieht schon richtig nach Urlaub aus.
In Memmingen haben wir ein paar Minuten Aufenthalt. Hier kreuzt die elektifizierte bayerische Südbahn von München nach Lindau. Die beiden Frauen und die Familie steigen aus, der Motor wird abgeschaltet und damit auch die Klimaanlage, die Innentemperatur steigt wieder.
Eine Gruppe junger Männer steigt ein, sie tragen Lederhosen und Karo-Hemden und haben Bierflaschen dabei und Laugenbrezeln.
Mir gegenüber sitzt jetzt eine junge Familie, der Vater diskutiert mit dem gutgelaunten Zugbegleiter über das 49-Euro-Ticket. In Kempten steigen sie wieder aus, die Biertrinker auch, das Leergut lassen sie liegen, was prompt zum Gesprächsthema zweier pensionierter Lehrerinnen wird, die sich offenbar zu einer gemeinsamen Wandertour getroffen haben.
Ich sitze jetzt in Fahrtrichtung und sehe auf die fernen Alpengipfel, die allmählich näher kommen: graue Felswände, darunter im Tal grüne Wiesen, oben drüber baluer Himmel.
In Immenstadt wechselt der Zug die Fahrtrichtung, die von hier ab eingleisige Strecke ist ziemlich dicht befahren. Eine halbe Stunde später steige ich in Oberstdorf aus: willkommen am südlichsten Bahnhof Deutschlands.

Blick von Oberstdorf aus nach Süden

Es ist warm, heiter und sonnig. Fünf Gleise enden ganz unspektakulär an drei Bahnsteigen, dann kommt ein modernes, holzverkleidetes Empfangsgebäude mit Reisezentrum, Bäcker und Zeitschriftenladen und dahinter ein kleiner, aber ziemlich wuseliger Vorplatz.
Die Innenstadt ist autofrei und herrlich entspannt. Eine wuselige Fußgängerstraße führt durch den Ort, links und rechts Gastronomie, Touristenläden und eine erstaunliche Anzahl von Sport- und Bekleidungsgeschäften, im Sommer auf Wanderer eingestellt, im Winter auf Skifahrer.
Ich trinke einen Kaffee in einem Bäckereicafé, spaziere aus dem Ort heraus, erst über die flache, sehr grüne und schattenlose Talsohle mit herrlichem Bergpanorama, dann über einen schattigen Waldweg bergauf zu einem idyllisch gelegenen kreisrunden See, zurück an der Loretto-Kirche vorbei, und dann ist’s Zeit für eine zünftige Brotzeit mit Weißbier und Laugengebäck.

Bahnhof Oberstdorf vom Bahnhofsvorplatz aus gesehen

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