Kloster Voronet in der Bukowina

Gura Humorolui: geheimnisvolle Bukowina, wunderschöne Klöster

Jetzt bin ich also in der Bukowina (Bucovina), dem „Buchenland“. Im wilden Nordwesten Rumäniens, zwischen Karpaten und Moldowa. Heute regnet es nicht mehr, aber es ist bewölkt und deutlich kühler als gestern in Iasi. In der Umgebung dieser Stadt liegen zwei der berühmten Moldau-Klöster: Voronet etwa fünf Kilometer südwestlich und Humor etwa genauso weit entfernt nach Norden. Der Plan für heute: beide Klöster besuchen, was vermutlich auf einen langen Fußmarsch hinauslaufen wird.
Gegen zehn Uhr mache ich mich auf den Weg, zunächst noch ein Abstecher zu der beindruckenden, aber funkelnagelneuen, knapp fünfzehn Jahre alten Kathedrale. Vom Parkplatz her hört man geistliche Gesänge, aber es findet kein Gottesdienst statt, die Gesänge kommen vom Band.
Durch ein unspektakuläres Wohngebiet gelange ich an das Flüsschen Humor und überquere es kurz vor der Mündung in die Moldau, die ich hier zum ersten Mal sehe. Nach den gestrigen Regenfällen gestern führen beide Flüsse ordentlich Wasser, die Fluten sind braun und schlammig.
Ein schattiger Weg führt durch ein waldartiges Parkgelände zu einer Fußgänger-Hängebrücke über die Moldau. Auf der anderen Seite ist eine Art Ausflugslokal, von dorther dröhnt laute Musik – obwohl kein Mensch zu sehen ist. Ein gut ausgebauter, aber aktuell ziemlich schlammiger weg führt in der Nähe des Ufers zur Talstation eines Sesselliftes und etwas weiter zu einer Art Sommerrodelbahn, hier gibt es Hotels, Pensionen und einen Campingplatz, es ist aber so gut wie gar nichts los, obwohl doch eigentlich Hochsaison sein müsste.
Ich gelange wieder auf die Hauptstraße, biege nach links und dann geht es ziemlich lang durch das langgezogene Straßendorf Voronet, auch hier gibt es zahlreiche Pensionen und Hotels, die mit günstigen Tarifen werben. Die Sonne strahlt, es ist warm und nach einer Weile erreiche ich einen großen Parkplatz. Gegenüber führt eine Fußgänger-Gasse zu dem berühmten Kloster, rechts und links gesäumt von Souvenirständen, allen Arten von Händlern, dazwischen Cafés und Restaurants. Neben dem üblichen Kitsch gibt es hier auch richtig schönes Kunsthandwerk.
Voronet gilt als eine der bekanntesten touristischen Sehenswürdigkeiten der Region. Von dem alten Kloster ist eigentlich nur die Kirche übriggeblieben, die von einer hohen Mauer umgeben ist. In einem kleinen Laden erwerbe ich die Eintrittskarte und dann… ja, dann trete ich durch das schmale Tor in der Mauer.
Wie soll ich das beschreiben? Die Kirche ist nicht sonderlich groß. Sie hat eine ungewöhnlich rundliche Form und mit dem für diese Gegend typischen „zipfeligen“ Dach. Berühmt ist sie vor allem für die Fresken an den Außenfassaden. Hier am Eingang, auf der Nordseite sind sie im Laufe der Jahrhunderte schon ziemlich verblichen, aber auf der gegenüberliegenden Seite strahlen die Farben so kräftig, als seien sie erst gestern gemalt: an der Stirnseite findet sich eine bildliche Darstellung des Jüngsten Gerichtes – mit drastischen Details. Auf der Längsseite finden sich Bilder von Heiligen und Gestalten aus dem Alten Testament.
Der Innenbereich ist, wie in orthodoxen Kirchen üblich, dreigeteilt: im Eingangsbereich der übliche Kiosk, wo man Kerzen und Heiligenbilder bekommt, dann ein Mittelteil und vorn der Bereich, in dem die Ikonen stehen. Dahinter, in der Apsis liegt dann noch das Allerheiligste, das nur Klerikern vorbehalten ist.
Auch die Innenwände sind lückenlos bemalt und alles ist wunderbar erhalten, so wunderbar, dass es schwer fällt, die richtigen Worte zu finden.
Ich gehe mehrmals um das Gebäude, schaue es mir von allen Seiten an, Touristengruppen und andächtige Gläubige kommen und gehen.
Langsam gehe ich zurück, auf dem selben Weg wie zuvor, über die schlammige Straße durch den Wald und die Hängebrücke über die Moldau, dann irgendwie wieder in die Stadt, im Hotel kurz durchatmen und dann los, nach Humor, zum zweiten Kloster.
Ich muss der Hauptstraße folgen, hin und wieder kann man auch direkt am Flüsschen Humor entlang gehen, aber der Weg auf dem kleinen Deich ist nicht durchgehend, an der Mündung eines kleinen Baches muss ich wieder auf die Hauptstraße zurück.
Der Weg zieht sich, der Autoverkehr nervt und dann ziehen auch noch Wolken auf, die immer dunkler werden, immer schneller ziehen, hoffentlich vorbei ziehen, aber dann fängt es doch an zu tröpfeln, zu regnen und schließlich heftig zu schütteln – kurz nachdem ich ein rettendes Vordach erreicht habe.
Wo bin ich überhaupt? Wie weit ist es noch? Ich bin kurz davor, zu versuchen, den Daumen herauszuhalten um per Anhalter in die Stadt zurück zu kommen, aber dann hört der Regen auf und ich gehe tapfer weiter.
Ich erreiche einen Kramladen, hole mir etwas zu trinken, jetzt soll es nicht mehr als einen Kilometer sein, schauen wir mal, da ist eine Touristeninformation, die ist zwar geschlossen, ab hier sind es angeblich nur noch achthundert Meter, aber die ziehen sich.
Auf einer Wiese finden sich die Ruinen des noch älteren Vorgängerbaus der jetzigen Kirche. Dann kommt endlich der Parkplatz, zwei Reisebusse fahren vor, eine Gruppe steigt aus.
Auch hier gibt es ein paar Souvenirstände, aber es geht wohl viel gemächlicher zu als in Voronet. Vom Kloster Humor ist neben der Kirche noch ein Turm erhalten, außerdem gibt es eine neue Kirche und neue Gebäude, in dem jetzt wieder einige Nonnen wohnen.
Die Kirche ist komplett von einem hölzernen Baugerüst eingehüllt, von den Fresken an den Außenseiten ist nur ein kleiner Teil zu sehen. Und an den Turm kommt man auch nicht heran.
Aber das, was man im Eingangsbereich und innen sieht, lohnt den weiten Weg. Auch in dieser Kirche sind die Innenwände komplett ausgemalt mit Bibel-Szenen, Darstellungen von Jesus, Engeln und Heiligen.
Ich nehme im Chorgestühl Platz. Besucher kommen und gehen, beten, berühren die Ikonen, machen heimlich Fotos. Eine Nonne füllt Öl in die Öllampen.
Dann ist es eine Weile lang still.
Auch auf dem Rückweg komme ich wieder in einen Regenschauer, kann mich bei einer Autowerkstatt unterstellen. Völlig erschöpft erreiche ich endlich mein Hotel, lasse mich auf dem Bakon in einen Sessel fallen und schaue über die Stadt, während es über der Berglandschaft allmählich dunkel wird…

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