Budapest - Blick von der Burg über die Donau zum Parlament

Von Arad nach Budapest

Ich werde wach. Es ist still. Kein Rattern mehr.
Der Zug steht, oder ist gerade angehalten. Wo sind wir?
Ich reiße mir die Schlafmaske vom Gesicht. Draußen ist es hell. Wie spät ist es?
Draußen erkenne ich einen Bahnhof, und zwar einen ziemlich großen Bahnhof.
Das kann nur Arad sein!
Wie spät ist es? Mein Handy habe ich ausgeschaltet, aber auf dem Bahnsteig ist eine Uhr: viertel nach sieben. Rasch meine Sachen zusammengesucht, den Koffer aus der Ablage gewuchtet, meinem Mitreisenden noch einmal freundlich zugewinkt, und dann raus auf den Bahnsteig.
Am Nachbargleis, am selben Bahnsteig, fährt ein Zug ein: Elektrolokomotive, zwei relativ saubere und moderne rumänische Wagons. Wohin mag der fahren?
Ich schaue eine uniformierte Bahnmitarbeiterin fragend an.
„Budapesta!“, sagt sie.
Jetzt muss ich blitzschnell eine Entscheidung treffen: Ich habe noch kein Ticket nach Budapest. Der nächste Zug geht in zwei Stunden. Und der soll – so glaube ich es auf der Anzeigetafel zu erkennen – mehr als drei Stunden Verspätung haben.
Ich steige ein. Der Plan: beim Schaffner ein Ticket bis zur Grenze nachzulösen, das klappt problemlos. Und dann schalte ich mein Handy wieder ein, solange ich noch rumänisches Netz habe und logge mich auf die Seite der ungarischen Bahngesellschaft ein, innerhalb von zwei Minuten habe ich ein Online-Ticket von der ungarischen Grenzstation bis Budapest erstanden und bin stolz auf mich.
Der Zug hält in Curtici, auf der rumänischen Seite der Grenze. Zwei Grenzpolizisten steigen ein, gehen durch den Zug, aber steigen wieder aus ohne die Reisenden zu kontrollieren.
Der Zug ruckt wieder an und fährt in gemächlichem Tempo die paar Kilometer durchs Niemandsland nach Lőkösháza, der ungarischen Grenzstation. Hasen hoppeln über abgeerntete Felder, wie schon auf der Hinfahrt.
In Lőkösháza wird der Zug mindestens eine halbe Stunde stehenbleiben. Lohnt es sich, auszusteigen? Ob man hier irgendwo einen Kaffee bekommt? Eine Mitreisende winkt ab: hier gibt es absolut gar nichts!
Die ungarische Zugbegleiterin taucht auf und veranstaltet einen Riesenärger: letztendlich geht es wohl darum, dass mein frisch erworbenes Onlineticket wohl nur für Inlandsverbindungen, jedoch nicht für internationale Fahrten gelte und man nationale und internationale Tickets nicht miteinander kombinieren könne. Ich solle entweder ein komplett neues Ticket bis Budapest erwerben, oder hier aussteigen – dann dürfe ich wohl mit dem nächsten Zug weiterfahren, wann auch immer der geht, möglicherweise erst in fünf Stunden. Vielleicht auch eher. Ansonsten würde sie nicht zögern, mich durch die Polizei rauswerfen zu lassen.
Der Sinn all dessen erschließt sich mir nicht wirklich und nach einer Weile ist sie bereit zu einem Kompromiss: Sie verkauft mir ein neues Ticket bis zur nächsten Station Békéscsaba, von wo aus mindestens jede Stunde ein Zug nach Budapest geht. Und vielleicht kann man dort ja gepflegt frühstücken.
In diesem Moment fährt am Nebenbahnsteig ein weiterer Zug aus Rumänien ein. Ist das der verspätete Nachtzug? Darf ich den nehmen? Oder steht mir da die nächste Diskussion ins Haus? Das Risiko brauche ich nicht einzugehen, jetzt habe ich ja ein gültiges Ticket bis Békéscsaba.
Es geht weiter und nach kurzer Fahrt steige ich in Békéscsaba aus. Der Bahnhof ist riesengroß, die Bahnhofshalle blitzsauber und in einer Ecke gibt’s auch ein winziges „Bufet“ und gegenüber eine Art Zeitschriften- und Kramladen. So ein richtiges Café zum Hinsetzen finde ich nicht, also gibt’s zum Frühstück abgepacktes Plastik-Sandwich und Pappbecher-Kaffee. Es gibt Schlimmeres.
Nach einem kurzen Spaziergang in Richtung Innenstadt finde ich mich wieder am Bahnsteig ein. Der sogenannte IC besteht aus gammeligen Nahverkehrswagons, durchquert aber zügig die ungarische Ebene, und immerhin kann man die Fenster öffnen.
Gegen Mittag erreiche ich Budapest auf dem wunderschönen Keleti-Bahnhof und mache mich auf den Weg in die Stadt: Erstmal ein Langos von dem berühmten Stand im Obergeschoss der historischen Markthalle, ein Spaziergang am Donauufer, mit der alten gelben Straßenbahn zum Parlament und anschließend ein Ausflug in die Budaer Berge.
Abends dann nochmal ein Bier am Donauufer und dann im goldenen Abendlicht der Blick vom Burgberg über die Stadt: Budapest ist immer eine Reise wert, auch wenn ich diesmal nur auf der Durchreise bin…

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert