Von Karlsruhe über Paris nach Bordeaux

Schnell noch ein Blick in die letzte deutschsprachige Buchhandlung am Karlsruher Hauptbahnhof, dann müssen wir auch schon zum Bahnsteig. Der ICE nach Paris ist gut besetzt. Zügig geht es über die Schnellfahrstrecke durch Baden, dann biegen wir ab auf die Strecke nach Kehl und jetzt geht es recht gemächlich durch die sommerliche Wiesen- und Felderlandschaft mit Blick auf die bewaldeten Höhen des Schwarzwalds. Wir überqueren den Rhein und halten in Strasbourg. Viele Leute steigen aus, noch mehr steigen ein und dann geht’s rasend schnell weiter ohne Zwischenhalt nach Paris. Landschaften fliegen vorbei, mal Wiesen, mal Wälder, mal bewölkt, meistens eher heiter.
Im Speisewagen hole ich mir einen Kaffee und frage bei der Gelegenheit auch nach Tickets für die Pariser Metro – früher hat man die hier verkauft, jetzt aber leider nicht mehr. Gibt’s die guten alten Pappkarten mit Magnetstreifen überhaupt noch? Eigentlich hätten sie seit 2020 schon abgeschafft worden sein sollen, gerüchteweise existieren sie immer noch, aber kein Mensch weiß, wie lange noch, geschweige denn, wo und wie man sie bekommt. Die Angestellte kann es mir nicht sagen. Möglicherweise geht inzwischen nichts mehr ohne aufladbare Chip-Karten. Wir werden sehen.
Mit einer knappen Viertelstunde Verspätung kommen wir in Paris – Gare de l’ Est – an. Der TGV nach Bordeaux fährt von der Gare Montparnasse ab, wir müssen also einmal die Stadt durchqueren, und zwar mit der Metro der Linie 4. Auf der Webseite der Deutschen Bahn wird die notwendige Transfer-Zeit mit 50 Minuten angegeben, das ist ganz schön knapp gerechnet, in weiser Voraussicht haben wir zwei Stunden eingeplant. Somit ist die Viertelstunde Verspätung der deutschen Bahn kein Grund zur Panik, noch ist alles ganz entspannt.
Glücklicherweise sitzen wir im zweitvordersten Wagon – ein ganz entscheidender Vorteil beim Aussteigen, der Weg vom Bahnsteig in die Bahnhofshalle ist nur kurz. Die Gare de l’ Est gehört zu den kleineren der sechs großen Pariser Kopfbahnhöfe.
Jetzt geht’s die Stufen hinunter in die Vorhalle des U-Bahn-Bereichs. Dort steht ein Automat. Genau einer. Der verkauft die sogenannten „Navigo-Easy“-Karten, das sind jene wiederaufladbaren Plastikkarten mit Chip, ohne die heutzutage in der Metro fast nichts mehr geht. Vor dem einzigen Automaten ist natürlich eine Warteschlange. Die ist nicht lang, dennoch geht es nur langsam voran. Als ich endlich an der Reihe bin, weiß ich auch warum: die Benutzerführung ist mehr als chaotisch und mit eher mäßigen Französischkenntnissen nur schwer zu bewältigen, und dann nimmt das Ding zwar Münzen, aber keine Scheine, und bevorzugt eigentlich sowieso eher Karten. Nun denn. Die Navigo-Easy-Karte kostet zwei Euro, und dann kann man sie mit einer beliebigen Anzahl von Einzelfahrten aufladen. Schließlich spuckt das Ding neben den Plastikkarten auch noch eine Anzahl von schmalen Pappkärtchen mit Magnetstreifen aus, die wie althergebrachte Fahrscheine aussehen. Habe ich irgendwas falsch gemacht oder sind das bloß Quittungen?
Schauen wir mal. Immerhin, der erste Teil wäre geschafft!
Die Schlange ist inzwischen erheblich länger geworden – jetzt haben offenbar auch die Leute aus dem hinteren Teil des Zuges den Weg hierher gefunden. Aber das kann mir egal sein.
Eine weitere Treppe führt hinab in den Bereich der Zugangssperren. Hier sind noch mehr Automaten – aber die funkionieren nur, wenn man schon eine Plastikkarte hat. Außerdem gibt es auch noch richtige Fahrkartenschalter mit Menschen dahinter – aber die Schlangen davor sind wirklich sehr, sehr lang.
Aber auch das kann mir egal sein. Frohen Mutes begebe ich mich zur Sperre, lege das Plastikkärtchen drauf, irgendwas blinkt – aber die Sperre bleibt geschlossen. Was ist los? Nochmal das Kärtchen drauflegen… Fehlermeldung. Vielleicht doch die Pappkärtchen? Nein, auch nicht richtig. Habe ich jetzt meine aufgeladenen Tickets sinnlos „verballert“?
Endlich finde ich einen Angestellten, der mich erst verständnislos mustert aber dann wortlos durch die Sperre lotst.
Der zweite Schritt ist geschafft.
Durch enge Tunnel und steile Treppen geht’s hinunter zum Metro-Bahnsteig. Aufzüge oder Rolltreppen gibt’s hier nicht, die waren zum Zeitpunkt des Baus dieser Anlage noch nicht erfunden.
Vor der Bahnsteigkante steht eine gläserne Wand mit Türen, die sich erst öffnen, wenn der Zug eingefahren ist. Die brechend volle Bahn rumpelt los. Hier und dort trägt noch jemand eine Corona-Maske. Hier und dort huster jemand.
Aussteigen in Montparnasse, und dann immer der Menschenmenge nach: Treppe rauf, Treppe runter, einen langen, langen Gang entlang, über Rollbänder, dann nochmal Treppen und dann endlich die Ausgangstür in den Bahnhofsbereich. Vor ziemlich genau einer Stunde bin ich in Paris angekommen und der Zug, den die Deutsche Bahn mir empfohlen hätte, fährt in genau dieser Minute ab.
Über Rolltreppen geht es hinauf, Halle eins, zwei, drei oder vier, an Wartebereichen vorbei, Geschäften und Gastronomie, gibt’s hier auch Toiletten? Gibt es.
Im Café sind die Stühle am Boden festgeschraubt und dann ist auch noch die Kaffeemaschine kaputt, die jungen Angestellten rufen ihre Vorgesetzte, die macht ein Foto mit ihrem Händy, verschwindet im Hinterzimmer und kommt dann triumphierend zurück: der Behälter mit dem Kaffeesatz war voll!
Mein Espresso kommt im Pappbecher.
Unser Zug ist inzwischen angezeigt, aber noch kein passender Bahnsteig, den erfährt man erst 20 Minuten vor Abfahrt, aber jetzt drängt die Zeit…
Alles gut! Los zum Bahnsteig, an der Schranke wird das Ticket gescannt, dann einsteigen und los. Landschaft rast vorbei mit bis zu 300 Kilometern pro Stunde, erst flach-wellig, Felder, dazwischen ein bisschen Wald, und später Weinberge und das eine oder andere Chateau. Zwischendurch hole ich mir einen Kaffee und auch der kommt im Pappbecher.
Dann wird’s langsamer, wir überqueren kurz nacheinander zwei Flüsse und dann sind wir in Bordeaux-St-Jean, Endstation, ohne Zwischenhalt.
Aussteigen aus dem klimatisierten Zug: auf dem Bahnsteig ist es warm und draußen scheint die Sonne. Willkommen in Aquitanien!

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