Vom Bahnhof Westerland – nördlichster Bahnhof Deutschlands! – nehme ich den Bus nach List und steige irgendwo in den Dünen aus: Eine Landschaft, die an die schottischen Highlands erinnert oder auch an Skandinavien. Heidekraut und sibrigweißes trockenes Gras, dazwischen Flechten und niedriges Gestrüpp in allen Arten von Brauntönen. Der Weg führt durch ein Dünental leicht bergauf, dann über einen Kamm hinweg ans Meer. Da bin ich also: Sandstrand, Wellen und Wind. Und Regen.
Der Wind kommt von hinten und über den feuchten Sand am Spülsaum komme ich erstaunlich gut voran. Einmal erwischt mich eine Welle, der linke Schuh und das Hosenbein sind platschnass, aber egal. Weiter gehts, weiter und immer weiter!
Irgendwo weit vor mir ein Paar mit Hund, die gehen genauso schnell wie ich, erst beim übernächsten Strandübergang bleiben sie zurück und irgendwann sind sie weg. Ich gehe weiter. Und weiter und weiter. Müsste hier nicht irgendwo ein Leuchtturm sein? Nein, nur Dünen und Strand. Irgendwann sind da Steine aufgetürmt, dicke Basaltsteine als Erosionsschutz, das muss die Ecke sein, wo die Küstenline abknickt, jetzt geht es nicht mehr nach Norden sondern überwiegend nach Osten. Der Wind lässt ein bisschen nach, bilde ich mir zumindest ein, der Regen nicht. Das Handy hat schon dänisches Netz.
Und irgendwo stehen da zwei unscheinbare Stangen, die markieren den nördlichsten Punkt. Ein winziges Schildchen weist darauf hin.
Das war’s also?
Dann kann ich ja jetzt wieder zurück in die Zivilisation! Ich suche einen Übergang über die Dünen, finde einen Trampelpfad, aber der hört irgendwo auf, also gehe ich weiter querfeldein, ist bestimmt streng verboten. Nach einer Weile erreiche ich die Straße. Ich muss jetzt ein Stück zurück nach Westen und habe Gegenwind, passiere jetzt auch den Leuchtturm, den ich vorhin nicht gesehen habe und im Schatten der großen Dünen ist es ein bisschen windgeschützter. Links von mir ist eine flache Bucht, der Königshafen, der den Lister Ellenbogen vom Rest der Insel trennt. Auf der Südseite des Königshafens führt ein Deich an einer ehemaligen Kaserne vorbei nach List: das erste und nördlichste Dorf, dahinter die berühmte Wanderdüne. Und es regnet immer noch. An der Sandinsel Uthörn vorbei erreiche ich endlich die ersten Häuser.
Gibt’s hier ein Café eine Bäckerei oder sonst irgendwas? Ich finde ein „Erlebniszentrum“, was auch immer das ist, Hauptsache es hat ein Dach, vier Wände und eine Tür. Drinnen gibt’s einen Souvenirladen und irgendwas, was Eintritt kostet, aber man kriegt auch Kaffee und ich darf meine platschnassen Klamotten über die Heizung hängen.