Im Dezemberregen von Luxemburg nach Lüttich

Nach zwei Stunden Aufenthalt in Luxemburg wieder zurück am Bahnhof. Der Zug nach Liège steht schon am Gleis. Nach belgischer und luxemburgischer Terminologie ist es ein IC, faktisch ein ganz normaler und ziemlich voller Regionalexpress. Der fährt los, über das Viadukt hinunter in das Tal der Alzette und dann am Fluss entlang. In Mersch steigen nochmal Leute ein, in Ettelbruck steigen ganz viele aus. Die Dämmerung schreitet fort, aber noch sieht man die Wolken- und Nebelfetzen zwischen den Bäumen, die sich schwarz gegen den grauen Himmel abheben.
Zwei junge Frauen unterhalten sich in Luxemburger Dialekt. Sie steigen in Kautenbach aus. Am Nachbarbahnsteig steht ein Triebwagen nach Wiltz. Fast Alle, die hier aussteigen, steigen dort ein.
Wir müssen noch den Gegenzug abwarten, dann geht es weiter, nächster Halt Wilwerwiltz: ein einsamer, unbeleuchteter Bahnsteig mit Anzeigetafel und Fahrkartenautomat. Draußen ein paar Straßenlaternen und Weihnachtsbäume, Lichterketten, ein Bahnübergang, ein paar Minuten später dann nur noch Dunkelheit. Der Zug ist leer geworden.
Regennasse Schienen und Bahnsteigkanten im fahlgelben Licht, in Drauffelt ein paar Häuser mit Licht hinter den Fenstern, heruntergelassene Rolladen. Vor einem Bahnübergang stehen Autos.
Clervaux hat immerhin ein richtiges Bahnhofsgebäude, einen Parkplatz mit Bussen und ein paar bewohnt aussehende Häuser.
In Troisvierges steien fast Alle aus. Draußen ein Weihnachtsbaum. Letzter Halt in Luxemburg. Leute verschwinden in der Nacht, Türen werden zugeschlagen. Stille. Draußen am Bahnsteig geht jemand in orangener Warnkleidung langsam am Zug entlang.
Der Zug fährt los, ganz langsam. Vorbeiziehende Lichter, ein Gewächshaus und schon wieder ein Weihnachtsbaum. Geheimnisvoll pfeifende Geräusche. Hier irgendwo muss die Grenze sein.
Rhythmisch rot blinkende Lichter, das sind wohl Windräder.
Dunkle Gleislandschaften in Gouvy. Jetzt erkennt man auch ein Bahnhofsgebäude, ein Haus, welches offenbar ein Café oder ein Restaurant beherbergt und beleuchtete Anzeigetafeln.
Ich bin jetzt in Belgien. Auch hier ist niemand eingestiegen. Von hier ab ist das Bahnfahren nicht mehr gratis.
In Vielsalm steigt wieder eine Dame ein. Eine einzige. Nächste Stationen: Trois-Ponds, Coo, Aywaille.
Ich befinde mich mitten in den Ardenen. Rivage, Poulseur, Esneux, kalt, neblig und dunkel. Orte für Krimis, Thriller oder Horrorgeschichten.
Draußen glitzert Wasser. Ist das schon die Maas? Aber die ist doch so breit, dass darauf Schiffe fahren können. Immerhin gibt es wieder mehr Lichter, mehr Autos und mehr Häuser.
Nächster Halt Angleur. Das ist ja schon ein Vorort von Liège oder sogar ein Stadtteil. Weihnachtssterne in beleuchtete Schaufenstern und Geschäfte, die vielleicht sogar noch geöffnet sind. Hier stoßen wir auf die Hauptstrecke nach Brüssel. Der Zug überquert die Maas. Immer mehr Lichter. Immer mehr Autos. Immer mehr beleuchtete Fenster. Rumpeln. Dieses singende Quietschen oder quietschende Singen. Schienen glänzen im Laternenlicht.
Dann Liège Guillemins, Terminus, Endstation. Die berühmte Bahnhofshalle im Dunkeln, keine Festbeleuchtung. Türen öffnen sich, draußen warten schon die Reisenden für die Rückfahrt. Rolltreppe nach oben, Rolltreppe nach unten, dann rasch zum Hotel.

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