Haben Fahrgäste noch Rechte?

Szene vor einigen Wochen in der DB-Lounge eines großen Bahnhofs irgendwo in Deutschland. Draußen Regenwetter, drinnen entnervte Kunden, deren Reisepläne aufgrund von heute mal wieder reichlich vorhandener Verspätungen ziemlich durcheinander geraten sind. Irgendwas war wohl: „Störungen im Betriebsablauf“, „Personen im Gleis“, „Signalstörung“ oder einfach nur Regen.
Nur ein junger Mann ließ sich von der allgemeinen Miesepetrigkeit nicht anstecken: fröhlich tippte er auf einem seiner beiden Handys herum, telefonierte und kommunizierte und gönnte sich dabei eine Cola-Light nach der Anderen.
„Ist doch herrlich,“ strahlte er, als meinen verwunderten Blick bemerkte, „Hab ich doch gerade schon wieder 100 Punkte gewonnen!“
Dann begann er, mir sein Geschäftsmodell zu erklären. Ich habe es nicht verstanden. Nur soviel: es ging wohl darum, dass er wohl in voller Absicht Tickets erwirbt für Verbindungen, auf denen mit großer Wahrscheinlichkeit mit Verspätungen oder Zugausfällen zu rechnen ist, dann auf clevere Art und Weise seine Fahrgastrechte in Anspruch nimmt und auf diese Menge schon jede Menge Bonuspunkte und wohl auch Bargeld gehamstert hat.
In Zukunft dürfte diese Masche wohl nicht mehr ganz so gut funktionieren, denn die Bahn hat die Fahrgastrechte – also die Ansprüche, die man als Reisender anmelden kann, wenn ein Zug zu spät oder gar nicht kommt – soeben massiv eingeschränkt.
Ich weiß ja nicht, wie das früher war, zu Kaisers Zeiten und so. Da war das Betreiben einer Bahnlinie ein hoheitlicher Akt und wem die Gnade zuteil wurde, von einem der kaiserlichen Züge befördert zu werden, der hatte sich vermutlich demütig dreinzufügen, wenn dieser mal verspätet war oder ausgefallen ist. Das Konzept, dass Reisende auch Kunden sind, die für ihr Geld eine Gegenleistung erwarten dürfen, dürfte erst viel später entstanden sein, auch wenn es uns heute selbstverständlich erscheint. Noch bis vor wenigen Jahren war es relativ umständlich, im Falle des Falles eine Entschädigung einzufordern: man musste sich am Schalter oder im Zug das korrekte Antragsformular aushändigen lassen, dieses dann per Hand ausfüllen, die Fahrkarten und gegebenenfalls weitere Quittungen im Original dazu legen und das Ganze dann per Post auf den Weg schicken (seit irgendwann gab es eine Regel, dass Angestellte in Reisezentren diese Umschläge nicht mehr entgegen nehmen durften). Auf öffentlichen Druck hin gibt es inzwischen die Möglichkeit, das Ganze auch mit wenigen Klicks über Webseite oder App zu erledigen, und seither dürfte die Anzahl der gestellten Anträge sprunghaft in die Höhe geschnellt sein. Ist schon klar, dass der Bahn das ein Dorn im Auge ist.
Und ebenso klar, dass es Leute gibt – siehe oben – die es raushaben, wie sie das System optimal in ihrem Sinne ausnutzen zu können. Auch klar, dass die Bahn nicht verantwortlich ist für Wirbelstürme, Sturzfluten, Schneechaos oder Vandalismus.
Aber ist es wirklich fair, dieses Risiko jetzt dem Kunden aufzubürden, der für all das doch genauso wenig kann?

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